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Digitale Gesundheit 360° - Medizin im digitalen Zeitalter: Transformation durch Technologie und Menschen

Welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf die Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems hat, erläuterte Keynote-Speaker PD Dr. Sebastian Kuhn auf der ersten rein digitalen Veranstaltung des Vereins „DG-BW Digitale Gesundheit Baden-Württemberg e. V.". Die Podiumsdiskussion auf der Veranstaltung „Digitale Gesundheit 360°“ am 12. Mai 2020 zeigte, dass es für Patienten, Ärzte und andere Gesundheitsberufe sowie für Politik und Kassen noch viel zu tun gibt.

Prof. Dr. Mark Dominik Alscher ist Vorsitzender des Vorstands des DG-BW. © RBK

Besonders in den aktuellen Zeiten der Covid-19-Pandemie spielt der digitale Austausch eine wichtige Rolle. Auf der ersten reinen Online-Veranstaltung der Reihe „Digitale Gesundheit 360°“ begrüßte Prof. Dr. Mark Dominik Alscher die 42 Teilnehmer des Web-Meetings, die sich auf diese Weise ohne Probleme über das Thema „Medizin im digitalen Zeitalter: Transformation durch Technologie und Menschen“ informieren konnten. Die Keynote hielt PD Dr. Sebastian Kuhn von der Universitätsmedizin Mainz. Der Oberarzt für Unfallchirurgie, Polytrauma und Wirbelsäulenchirurgie zeigte, wie sich die Gesellschaft im digitalen Zeitalter verändert hat. Schnell wird deutlich, dass diese gesellschaftliche Veränderung auch einen Einfluss auf die Medizin hat. Angefangen beim durch „Doktor-Google“ vorinformierten Patienten über die App auf Rezept bis hin zu einer KI-gestützten Anamnese (KI: Künstliche Intelligenz) oder der Telekardiologie. Die Möglichkeiten sind vielfältig, doch würden sie bisher nur wenig genutzt. Besonders die Ausbildung der Mediziner und Gesundheitsberufe weise laut Kuhn kaum eine Veränderung oder Anpassung in Richtung der Digitalisierung auf. So verändern sich die digitalen Anforderungen im Gesundheitssystem und auch an den Beruf des Arztes, in dem immer mehr digitale Kompetenzen gefordert würden; im Studium aber würden die angehenden Ärzte nicht mit berufsspezifischen digitalen Kompetenzen ausgestattet.

Die Trainer trainieren

Titel des Flyers der Initiative
Das Multiplikatoren-Programm der Careum Stiftung und der Robert Bosch Stiftung will die didaktischen Kompetenzen zur digitalen Kooperation erweitern. © M3D.digital GmbH

Durch die Corona-Pandemie sei es nun zu einem digitalen Meteoriteneinschlag in der Medizin gekommen, so Kuhn, der ebenfalls den Abschluss „Master of Medical Education“ erhalten hat. Das zeigt zum einen die laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung deutliche Zunahme der Videosprechstunde im März 2020, zum anderen der vermehrte Einsatz von digitalen Hilfsmitteln. Als Beispiel erläutert Kuhn, wie der Arzt in Zukunft beispielweise den Zustand eines Corona-Patienten digital über das Smartphone kontrollieren und einschätzen kann. Ziel müsse es nun sein, diesen digitalen Wandel interprofessionell in die Gesundheitsberufe zu tragen. Dafür müsse man mehr Menschen qualifizieren, diese Aufgabe zu übernehmen. Gemeinsam mit der Robert-Bosch-Stiftung hat Kuhn daher ein Projekt für das Training von Multiplikatoren gestartet. Das „Digital Health & Education Multiplikatoren-Programm“ richtet sich an Führungskräfte der Gesundheitssysteme in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die die Veränderung unter anderem durch die Implementierung von Qualifizierungsprogrammen in Aus-, Fort- und Weiterbildung fördern wollen.

In der anschließenden Expertendiskussion auf dem digitalen Podium bestätigt Andreas Vogt, Leiter der TK-Landesvertretung Baden-Württemberg, die Aussage, dass die jungen Mediziner nicht berufsspezifisch auf die digitalen Anforderungen im Studium vorbereitet würden. Er sieht eine Aufgabe dabei in der Bildungspolitik, die die digitalen Inhalte in den Lehrplänen verankern müsse. Eine weitere Aufgabe sieht er ebenfalls darin, den Einsatz von KI in Europa aktiv mitzugestalten.

Dr. Almut Satrapa-Schill, Vorsitzende des Vereins zur Förderung eines Nationalen Gesundheitsberuferates, hebt hervor, wie bedeutend es sei, auch die Interdisziplinarität nicht aus den Augen zu verlieren, um eine bessere Gesundheitsversorgung im digitalen Zeitalter zu erhalten. Daher sei es wichtig, dass die verschiedenen Gesundheitsberufe digital miteinander zusammenarbeiten könnten. Dafür müssten sich aber auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern.

Auch Ärzte müssen sich absichern

Arzt-Patienten-Gespräch
Telekardiologie ermöglicht die Übertragung wichtiger Herzdaten direkt an den Arzt © BVMed

Mit Dr. Markus Klett, Vorsitzender der Ärzteschaft Stuttgart, war auch ein Praktiker auf dem digitalen Podium vertreten. Klett brachte einige Probleme der Ärzte im Rahmen der Digitalisierung zur Sprache, wie zum Beispiel den Datenschutz. Hier müssten sich die Ärzte absichern. Baden-Württemberg habe mit docdirekt eine Vorreiterrolle eingenommen, nun müsse man diese weiter ausbauen, denn ohne die Hilfe der Digitalisierung wären die Probleme, wie zum Beispiel die verringerten Ärztezahlen, kaum zu lösen.

Brigitte Stähle, Vorstandsmitglied der LAG Selbsthilfe Baden-Württemberg e. V. und Patientenvertreterin im Landesausschuss, machte deutlich, dass die Patienten digitalisierte Prozesse befürworten, aber das Behandler-Patienten-Verhältnis für die Patienten ebenso besonders wichtig sei. Daher müsse die Kommunikationskompetenz des Arztes Teil der Ausbildung sein. Die Gesundheitskompetenz der Patienten spiele dabei selbstverständlich ebenfalls eine Rolle, auch wenn der Behandler dem informierten Patienten recht kritisch gegenüber stehe. Hier seien auch die Politik und die Krankenkassen in der Verantwortung, die Gesundheitskompetenzen des Einzelnen zu stärken.

In der Fragerunde wurde deutlich, dass es zum Teil auch von Seiten der Behandler ein großes Interesse gibt, die Digitalisierung voranzutreiben. Es seien jedoch häufig organisatorische, technische und rechtliche Hürden zu nehmen, die dies erschweren. Es werde aber generell noch lange dauern, bis die digitalen Kompetenzen flächendeckend zu Verfügung stehen. Um so wichtiger seien daher Aktivitäten, wie das Multiplikatoren-Programm der Robert-Bosch-Stiftung, um die Lehrenden zu qualifizieren, betont Kuhn.

Seiten-Adresse: https://www.digitale-gesundheit-bw.de/news/digitale-gesundheit-360-medizin-im-digitalen-zeitalter-transformation-durch-technologien-und-menschen